Wehrlein im Interview: Deutschlands nächster Formel-1-Star

, 12.01.2016

Der Mercedes-Star ganz persönlich: Warum er sich älter fühlt, als er ist, aber nichts von seiner Jugend verpasst hat - Über Paydriver ärgert sich Wehrlein nicht

Dass Pascal Wehrlein eines Tages Formel-1-Pilot sein wird, scheint nach seinem DTM-Titel 2015 und seiner Beförderung zum Mercedes-Ersatzfahrer beschlossene Sache. Um ein Cockpit schon in der kommenden Saison kämpft der 21-jährige Baden-Württemberger und bekräftigt im Gespräch mit 'Motorsport-Total.com' sein Interesse an einem Engagement bei Manor-Marussia. Außerdem erklärt Wehrlein, warum er sich nicht mit Lewis Hamilton vergleicht und früher im Paddock Mathe büffelte.

Frage: "Blicken wir auf das Jahr 2016: Wie stehen deine Chancen auf ein Formel-1-Cockpit?"

Pascal Wehrlein: "Der Status ist unverändert. Es laufen nach wie vor Gespräche. (lacht) Es zieht sich jetzt schon ganz schön lange hin. Ich selbst hatte auch gedacht, dass es mit einer solchen Entscheidung schneller gehen würde. Ich hoffe, dass es bald etwas Konkretes geben wird. Als Fahrer möchte man sich schließlich möglichst konsequent und zielgerichtet auf die kommenden Aufgaben vorbereiten.."

Frage: "Sportlich hast du im vergangenen Jahr alle Grundlagen für den Aufstieg geschaffen. Wie schmerzhaft ist es, wenn du nun trotzdem so lange in der Warteschleife hängst?"

Wehrlein: "(überlegt lange) Lass es mich so sagen: Es liegt nicht in meinen Händen, daher muss ich es sowieso nehmen wie es kommt. Wenn es klappen sollte, dann freue ich mich riesig über den Sprung in die Formel 1. Sollte es nicht klappen, dann kann ich klar sagen, dass ich alles dafür gegeben habe, um es zu erreichen. Mehr konnte ich 2015 nicht machen."

"Egal, wie es auch immer ausgehen mag: Ich blicke mit Freude auf die Motorsport-Saison 2016. Die DTM hat mir so viel Spaß bereitet. Wir sind als Team großartig zusammengewachsen. So viel Freude wie 2015 hatte ich zuvor noch nie gehabt. Deswegen würde es mir auch nichts ausmachen, noch einmal ein Jahr in der DTM zu fahren. Vielleicht tut sich eine Formel-1-Chance für die Saison 2017 auf..."

Frage: "Früher war der Weg für Talente deutlicher vorgezeichnet. Als Champion der GP2 oder auch der Renault-World-Series warst du ein Topkandidat für die Formel 1. So war es beispielsweise auch bei deinen Mercedes-Kollegen Lewis Hamilton und Nico Rosberg. Heutzutage funktioniert der Sprung in die Formel 1 nicht mehr automatisch auf sportlichem Wege. Wie nimmst du diese Situation wahr?"

Wehrlein: "Als Fahrer wünscht man sich natürlich, dass es anders ist. Ich bin DTM-Meister 2015, und als Champion wünsche ich mir die Chance, sportlich weiter aufzusteigen. Und die einzige Steigerung ist dann nun einmal die Formel 1."

"Ich kann die Situation leider nicht ändern. Es gibt eben andere Fahrer, die viel Geld mitbringen können. Diese Kollegen sind natürlich froh, dass man es über diesen Weg schaffen kann. Mich ärgert so etwas nicht, weil ich anderen kein Cockpit gönne, sondern weil ich 2015 wirklich alles getan habe, um meinen sportlichen Weg in Richtung Formel 1 fortsetzen zu können. Es gibt in anderen Serien bestimmt weitere Fahrer, die in einer ähnlichen Situation sind und genauso denken wie ich."

"Man kann es als Einzelner nicht ändern. Es ist außerdem so, dass selbst die Piloten, die mit Geld in die Formel 1 kommen, nicht gerade langsam sind. Auch diese Fahrer haben zuvor etwas geleistet Die können alle fahren. Einige Teams sind in der Situation, dass sie auf das Geld angewiesen sind. Entweder ein Fahrer mit viel Geld, oder es fährt niemand, weil das Team zusperren muss. Das ist die bittere Wahrheit. Mich ärgert es, aber es bringt nichts. Die Teams müssen auf Grundlage ihrer finanziellen Möglichkeiten handeln. So ist es halt."

Manor-Marussia: Wehrlein hofft auf Formexplosion

Frage: "Würde für dich ein Lehrjahr in einem Auto von Manor in der Formel 1 wirklich sinnvoll sein?"

Wehrlein: "Ich bin auf die Entwicklung von Manor gespannt. Wenn man sechs oder sieben Sekunden hinterherfährt und somit nur um den vorletzten Platz kämpfen kann, dann macht es für Piloten nicht viel Spaß, aber sinnvoll ist es zum Lernen dennoch. Ich glaube allerdings, dass Manor in diesem Jahr mit Mercedes-Antrieben und der Unterstützung durch Williams ein guter Schritt gelingen kann."

"Das Manor-Auto 2015 war mehr oder weniger ein Vorjahres-Fahrzeug. Damit kannst du natürlich nicht konkurrenzfähig sein. Das Potenzial für eine erhebliche Steigerung ist vorhanden. Wenn der Schritt groß genug ausfällt und man sogar im Mittelfeld mitmischen kann, dann macht ein Jahr dort wirklich Sinn. Dann kann man Erfahrungen sammeln, die Strecken kennenlernen und sich akklimatisieren. Es wäre schon gut, wenn man mit anderen Teams kämpfen könnte."

Frage: "Es gab Ende vergangenen Jahres eine Phase, in der die Zukunft von Red Bull, Toro Rosso, Lotus und Manor auf der Kippe stand. Wie groß waren zu jenem Zeitpunkt deine Hoffnungen auf den Einsatz eines dritten Mercedes mit dir am Steuer?"

Wehrlein: "Das wäre wohl der Jackpot gewesen! (lacht) Das wäre wirklich aus meiner Sicht natürlich eine optimale Lösung gewesen. Aber auch dort muss man hinterfragen, ob das alles für die Formel 1 insgesamt gut gewesen wäre."

"Wenn Red Bull keinen Antrieb bekommen hätte und Renault nicht bei Lotus eingestiegen wäre, dann hätte es mal ganz schnell drei Teams weniger geben können. Toll ist das sicher nicht - auch wenn es mir womöglich die Chance auf einen Einsatz in einem dritten Mercedes gegeben hätte. Ich habe es ohnehin nicht in der Hand. Deswegen mache ich mir keinen Kopf. Meine einzige Chance ist, sportlich auf den Strecken zu überzeugen. Das kann ich nur leisten, wenn ich mich nicht durch solche Gedanken ablenken lasse. Mit Träumen allein kommt man nicht weiter."

Frage: "Im Gegensatz zu beispielsweise Sebastian Vettel und Fernando Alonso hast du mehrfach die Chance gehabt, dich im gleichen Auto an den Rundenzeiten von Lewis Hamilton und Nico Rosberg zu messen. Wie stehst du im Vergleich da?"

Wehrlein: "Leider gibt es diese konkrete Vergleichbarkeit nicht. Das mag abgedroschen klingen, ist aber eine Tatsache: Wenn ich Tests fahre, dann habe ich ein Programm, das es nicht erlaubt, die Rundenzeiten direkt zu vergleichen. Nehmen wir mal Abu Dhabi als Beispiel. Dort bin ich bei meinem Testeinsatz nach dem Saisonfinale ganz andere Reifen gefahren. Vergleiche fallen da schwer. Wenn ich aber zwei Sekunden langsamer als die beiden wäre, dann dürfte ich wohl nicht mehr testen...(lacht)"

Frage: "Bist du Partymensch wie Lewis und Familienmensch wie Nico?"

Wehrlein: "Weder noch. Ich bin halt einfach ich. Außerdem macht der Altersunterschied einiges aus. Ich habe keine Frau, kein Kind und keinen Hund. Die beiden sind die großen Formel-1-Stars, mit denen ich mich gar nicht so vergleichen möchte. Persönlich bin ich eher ein ruhiger Vertreter und nicht das ganz große Feierbiest."

Frage: "Du bist 21 Jahre jung, hast aber schon weit über zehn Jahre intensiven Motorsport hinter dir. Altert man in diesem Umfeld schneller? Fühlst du dich wie 21 oder älter?"

Wehrlein: "Sehr interessante Frage! Ganz ehrlich: Ich fühle mich tatsächlich älter als die 21 Jahre, die in meinem Ausweis stehen. Ich habe im Motorsport schon so viel erlebt und mitgemacht, ich bin viel durch die Welt gereist - und das auch oft allein. Man steht sehr schnell auf eigenen Beinen. Das lässt einen als Person schneller reifen. Das ist tatsächlich so."

IndyCar-Serie und V8-Supercars reizvoll

Frage: "Verpasst man auf diesem Weg etwas von seiner Jugend?"

Wehrlein: "Das Gefühl habe ich nicht, denn ich habe jederzeit das gemacht, worauf ich am meisten Lust hatte: Motorsport! Vermisse ich etwas aus Kindheit oder Jugend, das andere in meinem Alter gemacht haben? Nein. Durch den Rennsport war ich nur wenige Wochenenden zu Hause und konnte deshalb selten mit anderen auf die Piste. Das macht mir aber nichts aus. An der Rennstrecke bin ich glücklich und zufrieden. Das ist mein Ding. Im Winter bleibt mehr Zeit, um mal ganz normale Dinge zu tun. Es ist aber nicht so, dass ich dann etwas aufholen oder nachholen müsste."

Frage: "Wie hast du es eigentlich zu Schulzeiten unter einen Hut bekommen?"

Wehrlein: "Das ging ganz gut, aber es gab klare Regeln. Ich habe jederzeit für meine Rennaktivitäten frei bekommen. Voraussetzung war allerdings, dass die Noten stimmen. Und die haben gepasst, weil ich mir Bücher mit ins Wohnmobil genommen habe. Ich bin dann quasi an Wochenenden zwischen Rennstrecken-Scheitelpunkt und mathematischer Kurvendiskussion hin und her gewechselt. Das Lernen unterwegs hat mir die Freiheit für Rennen verschafft. Ich habe Realschule und Ausbildung abgeschlossen - alles gut."

Frage: "Wir schreiben das Jahr 2054. Pascal Wehrlein ist gerade 60 Jahre alt geworden und blickt zurück: Was möchtest du bis zum diesem Zeitpunkt erreicht haben im Leben?"

Wehrlein: "Es gibt so viele Ziele, Träume und Wünsche! Auf jeden Fall werde ich dann auf die Saison 2015 zurückblicken, die ein absolutes Highlight war - und immer bleiben wird. Dann hoffe ich darauf, dass ich auf eine Karriere in der Formel 1 zurückblicken kann. Auf eine erfolgreiche Karriere mit Titelgewinn. Das wäre ein ganz großes Ziel. Abseits davon wünscht man sich natürlich auch auf persönlicher Ebene einige Dinge. Aber eines nach dem anderen. Erst einmal gebe ich 2016 im Motorsport wieder Vollgas."

Frage: "Sollte es mit der Formel 1 nicht klappen, dann hast du das Sicherheitsnetz namens DTM. Gibt es aber abseits davon Motorsportserien, die dich reizen?"

Wehrlein: "Ja, da gibt es genau zwei: Australische V8-Supercars und IndyCar-Serie. Gerade die IndyCars finde ich klasse, vor allem die Stadtrennen sind spektakulär. Auf das Oval müsste ich mich zuerst einstellen. Ich habe das noch nie gemacht. Ich habe beim Race of Champions mit Ryan Hunter-Reay darüber gesprochen. Wie er darüber erzählt, begeistert mich. Das ist cool. Die V8-Supercars reizen mich, weil die Autos leistungsstark und lässig sind. Und dann sind da die tollen australischen Strecken. Ich muss unbedingt mal in Bathurst fahren! Das steht auf meiner Liste ganz weit oben."

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