Tom Coronel: "Ich weiß, dass ich für eine gute Show sorge"

, 06.12.2015

Tom Coronel im 'Motorsport-Total.com'-Interview: Wie seine Saisonbilanz in der WTCC ausfällt und warum er auch 2016 weitermachen will

Tom Coronel ist der "Showman" der Tourenwagen-Weltmeisterschaft (WTCC). Mit seinen Videoclips und kreativen Fotos, die er über die verschiedensten Social-Media-Kanäle verbreitet, setzt der Niederländer sich und seine Sponsoren immer wieder gut in Szene und zählt dadurch zu den populärsten Fahrern des Szene. Dies sei jedoch kein reiner Selbstzweck, sondern schlicht und ergreifend seine Art, sagt Coronel im Interview mit 'Motorsport-Total.com'.

Darin zieht der Niederländer auch eine Saisonbilanz, die gemessen an den reinen Ergebnissen, recht mager ausfällt. Doch nach Tiefschlägen hofft Coronel auf Höhepunkte in der Zukunft, die er auch in der Saison 2016 in der WTCC sieht. Außerdem spricht er über die zunehmend schwierigerer Situation der Privatteams und verrät, welchen Preis man für eine Saison in der WTCC zu zahlen hat.

Frage: "Tom, wie fällt dein Saisonfazit aus?"

Tom Coronel: "Es gab Höhen und Tiefen. Ich bin zwar mehr Höhepunkte gewöhnt, aber das ist nun einmal das Paket, das wir haben. Wir haben ein Paket für Privatiers, und damit müssen wir zurechtkommen. Wir wussten am Saisonbeginn, dass es etwas schwieriger werden würde als im vergangenen Jahr, wo ich zweimal Zweiter und zweimal Dritter war. In diesem Jahr war ich nur einmal Zweiter. Mindestens ein Podium mehr hätte ich schon erwartet, aber ich hatte öfter im ersten Rennen Probleme oder war in Unfälle verwickelt und konnte dann zum zweiten Rennen nicht antreten."

"Das ist mir noch nie so oft passiert wie in diesem Jahr. Was die reinen Ergebnisse anbelangt, war das eine meiner schlechtesten Saisons. Was die Publicity betrifft, war es eine sehr gute Saison und deshalb kann ich jetzt mit meinen Partnern sprechen und habe eine realistische Chance, auch im nächsten Jahr hier zu sein. Das ist noch nicht zu 100 Prozent sicher, aber das sollte hoffentlich vor Weihnachten der Fall sein. Denn ich kann einem Team nur dann zusagen, wenn ich weiß, dass das Budget steht. Es sieht aber gut aus."

2015 viele Rückschläge und nur wenige Höhepunkte

Frage: "Du hast die Höhepunkte angesprochen. Welche gab es da für dich?"

Coronel: "Ungarn war sicherlich ein Höhepunkt, wo ich hinter Norbert Michelisz Zweiter war. Norbi und ich sind in Ungarn recht populär. Es fühlt sich zwar nicht wie ein Heimrennen an, aber ich habe dort eine Menge Fans. Und wenn man ihnen etwas zurückgeben kann, ist das ein gutes Gefühl. Das war aber ehrlich gesagt das einzige echte Highlight, zumindest was die Ergebnisse anbelangt. Aber auch das Saisonfinale war in gewisser Weise ein Höhepunkt. Ich bin ein gutes Qualifying gefahren, das Auto fühlte sich gut an. Das hilft auch, vor allem nachdem ich für nur eine Kurve nach China und Thailand gefahren bin. Solche Dinge will ich abhaken."

Frage: "Das führt mich zu meiner nächsten Frage. Wenn man zweimal hintereinander in der ersten Kurve ausscheidet, wie bleibt man dann motiviert?"

Coronel: "Das ist ziemlich einfach. Ich betreibe seit 26 Jahren Motorsport. Mir muss niemand mehr etwas über die Höhen und Tiefen des Motorsports erklären. Je tiefer man sinkt, umso höher kann man wieder aufsteigen. Ich bin ein Kämpfer und gebe nicht so einfach auf. Ich weiß, dass es in beide Richtungen gehen kann, die Ampel kann entweder rot oder grün sein. Ich habe jetzt viel rot gesehen, also wird auch wieder viel grün kommen. Das ist meine Einstellung."

"Ich habe eine starken Willen, bin vielleicht etwas anders. Ja, mein Name ist Tom, ja, ich habe Erfahrung. Warum nicht? Ich habe nicht verlernt, wie man spät bremst, schnell einlenkt und früh wieder aufs Gas geht. Damit läuft nichts falsch. Es geht um das Gesamtpaket, das Auto, das Team. Das muss man wieder aufbauen, damit es wieder Erfolgserlebnisse gibt. Mit meinem Paket, und mit null Tests in den vergangenen sechs Jahren, ich war nicht am Nürburgring oder sonst wo, weiß ich, dass ich ein Handicap habe. Ich fahre mit einem Handicap, und das ist das Budget. So einfach ist das."

"Die Meisterschaft wird immer teurer. Ich kann mich glücklich schätzen, dass ich gute Partner gefunden habe, die mich in dieser Meisterschaft unterstützen. Ich muss die Chancen nutzen, die sich mir bieten, und das habe ich in Ungarn getan. Das hätte ich auch in Vila Real machen können, hätte Ma mich nicht geblockt. Das wäre meine Chance gewesen, da bin ich mir hundertprozentig sicher. Ich war die ganze Zeit schnellster Chevy und wäre locker auf Position neun oder zehn gefahren. Ich hätte also nur noch einen guten Start hinlegen müssen. Es gab einige Leute um mich herum, die mich meiner Chancen beraubt haben. Ich weiß aber, dass ich es noch kann, denn ich kenne meine Stärken."

Frage: "Glaubst du, dass Privatfahrer überhaupt noch eine Chance haben? In diesem Jahr gab es nur einen Sieg durch Norbert Michelisz, von dem wir wissen, dass er kein reiner Privatfahrer..."

Coronel: "Norbi ist kein Privatfahrer, überhaupt nich! Er testet für Honda und ist komplett in das Entwicklungsprogramm eingebunden. Er bekommt alle neuen Teile, ich müsste sie kaufen. Aber das kann ich nicht. Ich bin auch kein reicher Junge, der im Entwicklungspool von RML ist. Ich habe anderes Material als mein Teamkollege (Tom Chilton) oder Valente (Hugo, Erg. d. Red.) und die anderen."

"Das ist kein Problem, denn es ist meine Entscheidung. Aber wenn ich nicht das notwendige Budge habe, ist es nicht mehr meine Entscheidung. Jeder sollte die gleichen Voraussetzungen haben. Aber so ist es in dieser Meisterschaft nun einmal, für mich ist das okay. Um auf deine Frage zurückzukommen: Ehrlich gesagt nein. Das beste Resultat eines Privatfahrers war Platz zwei, und das waren ich in Ungarn und Valente in Japan."

WTCC-Saison kostet eine Million Euro - mindestens

Frage: "Stichwort Kosten. Serienchef Francois Ribeiro sagte in einer Medienrunde, dass sich die Kosten durch die Einführung der TC1-Autos im Vergleich zur vorherigen Generation verdoppelt hätten."

Coronel: "Das stimmt, das kann ich zu 100 Prozent bestätigen. Man braucht eine Million (Euro; Erg. d. Red.) um die Saison zu beginnen."

Frage: "Und dann darf man aber keine Unfälle haben..."

Coronel: "Man kann das Auto versichern, das kostet 70.000, also sind wir schon bei 1,1 Millionen. Wenn du testen willst, sind wir bei 1,2 Millionen. Aber unter 900.000 bis eine Million geht nichts. So hoch sind die Kosten nun einmal. Ich habe mit Roberto Ravaglia (Teamchef von ROAL; Anm. d. Red.) gesprochen. Er sagte: 'Ich habe unsere Kosten mit denen von Campos verglichen, es ist überall dasselbe.' Alleine der Motor kostet 175.000 Euro, nur die Miete für zwölf Rennwochenende."

Frage: "Was sollte die Serie verändern, um Privatfahrer wie dich besser zu unterstützen?"

Coronel: "Das einfachste ist das Preisgeld. Und dann müssen wir öfter im Rampenlicht stehen. Warum sind wir nicht bei der Siegerehrung (der Gesamtsieger; Anm. d. Red.) dabei, wie es früher war?"

Frage: "Wäre es einfacher, wenn Hersteller wie Citroen oder Honda mehr Kundenautos anbieten würden, oder würde es dann nur teurer?"

Coronel: "Sie können sie anbieten, aber wir können sie nicht bezahlen."

Frage: "Gibt es etwas, was du noch ergänzen möchtest?"

Coronel: "Ich will in dieser Meisterschaft fahren. Ich bin von allen Fahrer mit am längsten hier und will noch nicht aufhören. Ich bin erst 43 und habe eine Menge Fans. Ich weiß, dass ich auch für eine gute Show sorge. Das ist aber keine Absicht, so bin ich nun einmal. Ich habe mich in den vergangenen 20 Jahren nicht verändert, wenn überhaupt, dann bin ich ruhiger geworden. Aber diesen ganzen politischen Kram mag ich nicht."

"Ich will meinen Job machen und den Fans eine gute Show bieten. Wer gewinnt ist mir letztlich egal. Ich bin nicht in den Top 5, daher kommt es nicht darauf an, ob ich letztlich Neunter oder Zwölfter werde. Natürlich werde ich um das bestmögliche Ergebnis kämpfen. Das vergesse ich nie, denn ich bin Rennfahrer. Aber man muss mit den Paddeln rudern, die man hat. Wenn man glaubt, dass man mit einem Chevy Rennen gewinnen kann, sollte man aufhören zu träumen."

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